Zum Inhalt [I]
Zur Navigation [N]
Kontakt [C] Aktuelles [2] Suchfunktion [4]
Monsengwo.jpg

Das Ende der Duldsamkeit im Kongo -

09. Feb 2015

wird durch die Trauer um die Toten markiert. Erzbischof Monsengwo reagiert solidarisch im Namen der katholischen Kirche.

Die Kommission „Solidarität mit Zentralafrika“ ist bestürzt wegen der Toten bei den Protesten in Kinshasa und anderen Städten der DR Kongo, die sich gegen die Versuche von Präsident Kabila richteten, seine Macht über die 2016 ablaufende zweite Amtszeit hinweg zu sichern. Eines ist sehr deutlich geworden: Bei den Unruhen der zweiten Januarhälfte hat die Regierung erfahren müssen, dass sie trotz tagelanger skandalöser Internetsperre und noch längerer Kappung der SMS-Möglichkeiten bei fünf Telefongesellschaften im Land ihr Gesetzesprojekt NICHT durchsetzen konnte. Diese verlangte eine aktuelle Volkszählung und hätte zur zwingenden Folge gehabt hätte, die regulären Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr (2016) um bis zu drei Jahre zu verschieben. 

Die Regierung hatte den populären französischen Auslandsrundfunk rfi (Radio France International) sowie den katholischen kongolesischen Fernsehsender RTCE und KIN TV sperren lassen. Polizei und Sondereinheiten des Militärs hatten Schießerlaubnis und scheuten nicht einmal davor zurück, gesuchte Leute der Opposition mit Schüssen bis in ein Krankenhaus zu verfolgen. Die Bilanz des Todes, die der Staat zu verantworten hat, waren mehrere Dutzend Tote und weit mehr schussverletzte unbescholtene Bürger. Die Opposition sprach von über 140 Toten.

Hintergrund dieser Strategie der Präsidentenmehrheit war es, seine Amtszeit zu verlängern und so den verfassungsgemäßen Rücktritt zu umgehen. Gemäß der Verfassung hat der Präsident nach zwei Amtsperioden den Platz für einen Nachfolger freizumachen. Kabila hat zwei Wahlperioden regiert, obwohl beide Wahlen umstritten waren und vor allem die letzte vom November 2011 ihm deshalb keine wirkliche Legitimität gegeben hatte. Daran hatte letztlich auch eine Sonderversammlung von fast eintausend Delegierten aus dem ganzen Land („Consultation nationale“) nichts geändert, denn die dort versprochene Regierungsumbildung ließ ein weiteres Jahr auf sich warten und führte dann kaum zu Änderungen an den wirklichen Schaltstellen der Macht.

Nach den blutig unterdrückten Protesten von Bevölkerung, Opposition und Zivilgesellschaft sowie der Solidarisierung durch Kardinal Monsengwo, Erzbischof von Kinshasa, scheiterte das Gesetzesprojekt im Senat mit etwa 90% Neinstimmen. Daraufhin musste die Nationalversammlung den umstrittenen Paragraphen zurückziehen, der vor den Wahlen eine Volkszählung verlangt hätte. Die kongolesische Tageszeitung „Le Potentiel“ sprach von einem „Triumpf des Volkes“ und der Senatspräsident würdigte den Volkswillen auf der Straße. Opposition, Senat und Zivilgesellschaft forderten die Wahlkommission CENI auf, nun schnell einen verbindlichen Wahlkalender vorzulegen. 

Dr. Reinhard J. Voß, der in Kinshasa von 2010 bis 2014 als Berater der Katholischen Bischofskonferenz arbeitete, meinte nach seiner Rücksprache mit seinem früheren Vorgesetzten, der sich in Berlin zu Lobbygesprächen aufhielt: „Die Kirche hat sich in diesen Tagen als ein Hort der Opposition gezeigt und auch angekündigt, mit der gesamten Zivilgesellschaft und der politischen Opposition auf die Straße zu gehen. Das wird sie auch tun, falls noch einmal versucht werden sollte, entweder die Wahlen zu verschieben oder gar die Verfassung in Art. 220 zu verändern, um weitere Mandatsjahre des Präsidenten zu erlauben.“ Zum ersten Mal war die Hauptstadt Kinshasa eine ganze Woche lang lahm gelegt. „Die Leute hungerten lieber, als mit ihren politischen Rechten weiter spielen zu lassen, so Reinhard Voß weiterhin.

L. Kardinal Monsengwo Pasinya, der Erzbischof von Kinshasa, hat am 20. Januar vehement im Namen der katholischen Kirche öffentlich protestiert (die Hervorhebungen im folgenden Zitat sind von ihm selbst markiert):

  1. In den letzten Tagen befindet sich Kinshasa in einem unbegreiflichen Ausnahmezustand. Die Bevölkerung ist im Aufstand; gewisse Politiker säen zusammen mit den Ordnungskräften Verzweiflung und schaffen eine allgemeine Unsicherheit. Wir verurteilen diese Machenschaften, die zu Todesopfern führten  und verbreiten nachdrücklich diesen Appell: Haltet ein Euer Volk zu töten, marschiert nicht auf den sterblichen Überresten eurer Mitbürger. Außerdem missbilligen und verurteilen wir jede Veränderung des Wahlgesetzes, die zum Ziele hat, den Artikel 220 unserer Verfassung seines wesentlichen Inhaltes zu entleeren und illegaler Weise die Wahltermine von 2016 zu verschieben.
  2. Des Weiteren laden wir den Minister für Medien ein, alle audiovisuellen Medien wieder freizugeben, deren Signale willkürlich unterbrochen wurden: Die Demokratie bedeutet Pluralismus von Meinung und Denken. Sie verabscheut das Einheitsdenken. Es ist nicht recht, dass die nationalen Fernsehsender ausschließlich die Meinung der Mehrheit, die an der Macht ist, verbreiten.
  3. Wir rufen unser Volk auf, wachsam zu bleiben, um sich jedem Versuch der Änderung wesentlicher, für den Wahlprozess wichtiger Gesetze unseres Landes  entgegen zu stellen – und zwar mit allen legalen und friedlichen Mitteln und unter Vermeidung jedweder Plünderungen von privaten oder öffentlichen Gütern.
  4. Wir sprechen unser ernstes und tiefes Beileid den Familien der Opfer aus, und wir beten für das ewige Heil der Verstorbenen. Möge der Herr, durch die Fürbitte der Jungfrau Maria, unserem Land einen dauerhaften Frieden in Gerechtigkeit und Wahrheit schenken.

Mit unserem herzlichem Segen!

Erzbischöflicher Sitz in  Kinshasa, den 20. Januar 2015 
gez. + L. Kardinal MONSENGWO PASINYA, Erzbischof von Kinshasa